Badevergnügen anno dazumal
Badevergnügen anno dazumal
Weit vor der Zeit von Wellness-Bädern in fast jedem Haus konnten Badelustige im Laintal bei Mittenwald ein ganz besonderes Kleinod besuchen. Dort wo heute die schweren Steinquader der Hochwasserverbauung das Bild bestimmen, befand sich nämlich um die Jahrhundertwende ein Naturbad.
Vielen Mittenwaldern, vor allem den Alteingesessenen, ist die Laintalstraße unter dem Namen „Bodgass“ bekannt. Und diesen Namen erhielt sie nicht ohne Grund. Denn die Badgasse führte zur Badeanstalt an der Laine, dem Treffpunkt für alle Badelustigen ab etwa dem Jahr 1870.
Meine Oma war es, die mich zum ersten Mal auf die zum Rechteck angeordneten, mit Moos bewachsenen Begrenzungssteine der ehemaligen Wasserbecken aufmerksam machte. „Do war amoi a Schwimmbad.“, erklärte sie mir damals. Ich muss wohl vier oder fünf Jahre alt gewesen sein und fortan kam mir dieses Schwimmbad immer wieder in den Sinn, wenn ich mich auf den Weg zum Lautersee machte.
Stimmte das wirklich? Wann war das? Wie tief war das Wasser? Konnte man da wirklich seine Bahnen ziehen, oder war das eher etwas, um sich schnell zu waschen und dann wieder raus? Irgendwie fand ich es schon immer faszinierend, dass an der Stelle, wo die wilden Kaskaden des Lainbaches wieder in ein sanftes Bachbett übergehen, einmal pulsierendes Leben in den Sommermonaten stattfinden sollte.
Einige Jahre später fand ich dann auch in Omas Maschkerakiste ein altes Stück, das mein Bild vom Badevergnügen anno dazumal vervollständigte: ein rot-weiß gestreifter Badeanzug. Seitdem ging ich davon aus, dass der wohl meiner Uroma gehört haben musste und sie damit vielleicht sogar im Laintalbad war. Auf Nachfrage bei Oma ergab sich jedoch, dass sie den Badeanzug zu Maschkera-Zwecken aus Putzlumpenstoff genäht hatte.
Bildnachweis: “Laintalbad” nach einer Zeichnung von Widmann im Jahr 1870 in Schönes Mittenwald 1969. [3]
Und von Badevergnügen für alle Badelustigen kann auch keine Rede sein. Denn die Einheimischen hätten ja gar nicht die finanziellen Mittel für solche Dinge gehabt, stellt mein Opa fest. Meine Uroma berichtete wohl immer von einem Pavillon, den es dort hinten gegeben habe und in dem die „Herrschaften“, also die feinen Damen und Herren immer saßen. Von den Mittenwaldern sei dort „koa Mensch“ baden gewesen, schließlich ist das doch „a saukoits Louch“. Aber wahrscheinlich waren die Damen besonders „leitscheich“, also scheu, und wollten ungesehen ihrem Badevergnügen nachgehen, wie mein Opa mutmaßt.
Weitere Recherchen führen zu Heinrich Noë, der in seinem Deutschen Alpenbuch von einer Schwimmanstalt berichtet, in der
alle Bequemlichkeiten aufgerichtet sind, welche der gebildete Europäer heischt, Spiegel und Damenkabinen, Bänke und Ruhesitze. In unseren deutschen Landen und ich glaube noch weiter hinaus gibt es kaum ein großes Schwimmbecken mit hereinschlagendem Wasserfall, welches mitten unter Legföhren und Alpenrosen aufgebaut ist. Die von den Rinnsalen des Wettersteins genährte Welle, nachdem sie über eine Felswand geglitten ist, dünkt dem Schreiber als ein wahres Verjüngungsbad.[1]
Dass es ziemlich frisch gewesen sein muss, das Wasser, kann man sich gut vorstellen; denn viele Sonnenstrahlen finden den Weg bekanntlich nicht an diesen doch eher schattigen Fleck. Ein Inserat aus dem Jahr 1901 gibt die Wassertemperatur mit zwischen 15 und 18° C [2] an. Vielleicht hat aber auch ein gewisser Sebastian Kneipp seine Finger mit im Spiel, der um 1850 herum die Wasserkur mit Wassertreten als Heilverfahren und gesundheitsfördernde Maßnahmen populär machte. Gut denkbar, dass die betuchteren Zeitgenossen die kühlen Temperaturen ihrer Gesundheit zuliebe nicht scheuten. Schlüssel und Badewäsche erhielt man jedenfalls bei Bademeister Zwerger, Hs.-Nr. 252 [3].
Vielleicht sollten wir uns in diesem Herbst ein Vorbild an den feinen Herrschaften nehmen und das Kneippen für uns entdecken. Denn so richtig warm war es dieses Jahr an unseren örtlichen Seen ob des verregneten Sommers ja auch nicht. Und wenn’s der Gesundheit auch noch dient. Vielleicht kommt ja nächste Saison auch der rot-weiß gestreifte Retro-Badeanzug wieder in Mode.
Im nächsten Artikel dieses Blogs stellen wir Ihnen ein paar Kneipp-Verfahren vor, die leicht und ohne großen Aufwand zuhause, auch bei schlechtem Wetter, für eine wohltuende Auszeit vom Alltag sorgen können. Erfahren Sie, wie Sie sich selbst etwas Gutes tun können!
[1] Heinrich Noë (o. J. hdschr. 1875): Deutsches Alpenbuch. Die deutschen Hochlande in Wort und Bild. Glogau: Carl Flemming, S. 33.
[2] Vgl. Festschrift. 75 Jahre Verkehrsverein Mittenwald e.V. gegr. 1906 (1991), S. 12.
[3] Vgl. Engstler, Josef (Hrsg.) (1969): Schönes Mittenwald 1969. München: Karl M. Lipp, S. 16.